Fender Classic ´60s Telecaster

 

 

Man sagt, eine Telecaster gehöre in jeden Gitarristen-Haushalt. Das ist eine Meinung, die ich auch vertrete, deshalb hatte ich seit ich Gitarre spiele immer eine Telecaster. Spielen gelernt habe ich auf einer Telecaster Custom aus den Siebzigern. So eine mit dem großen Halshumbucker und der Les Paul-artigen Regleranordnung, die ich leider irgendwann verkauft habe. Mittlerweile habe wieder zwei Fender Telecaster obwohl meine Hauptgitarre eine Gibson ES-135 ist und auch bleibt. Meiner japanischen Fender Tele in Two Tone Sunburst habe ich einen Baritonhals verpasst, dadurch musste natürlich wieder eine "normale" Tele in meinen Haushalt. Auf knallige Ahorn-Griffbretter bin ich nicht so aus und die Farbe Olympic White spukte mir schon länger im Kopf herum. Gesehen habe ich die Kombination Rosewood-Hals und Olympic White Korpus in Form einer Tele aus den Sechzigern und das liess mich nicht mehr los. Ein Original aus den Sechzigern ist in finanzieller Hinsicht völlig jenseits von Gut und Böse, aber man kann auch anders fündig werden.

Schon seit 07.2001 baut Fender in Mexico die Classic `60s Telecaster. Es gibt sie in Schwarz, Candy Apple Red und dem besagten Olympic White zu einem meiner Meinung nach vernünftigen Preis. Zum Testzeitpunkt November 2008 kostete sie 539 Euro. Also hab ich zugeschlagen und da ist sie nun!

 

     

 

Man bekommt sie mit einem brauchbaren schwarzen Gigbag geliefert. Ich bin eher für Koffer und habe auch einen passenden, denn meine Bariton Tele passt ja nicht mehr in ihren rein, aber trotzdem ist das keine schlechte Sache. Der erste Eindruck war beim Auspacken ausgesprochen gut, aus dem Karton und dem Gigbag kam das, was ich erwartet habe. Die Lackierung ist bestens, das Griffbrett schön dunkel und alles macht einen sauberen und gediegenen Eindruck. Vorurteile in Bezug auf die Mexico-Fertigung habe ich keine mehr, seit ich im Besitz einer Fender Classic Player 60´Strat bin, die auch einen Testbericht in dieser Website hat. Auch bei meiner neuen Mexico Tele ist bist auf einen Fehler alles in bester Ordnung. Der einzige Fehler ist, dass die Kerbung der D-Saite im Sattel zu tief geraten ist und die D Saite deshalb etwas rasselt. Da muss ich noch ran, es wird wohl ein neuer Sattel werden, denke ich.

 

     

 

Ich glaube, die Gitarre hat die Werks-Verpackung zum ersten Mal bei mir zu Haus verlassen. Die Einstellung war nicht gut. Die Oktavreinheit war ziemlich aus dem Ruder und die Saitenlage auch nicht gerade vorbildlich, die Halskrümmung war aber in Ordnung. Nicht gut fand ich auch die in meinen Ohren sehr klirrigen 10er Saiten, die vom Werk aus aufgezogen waren. Ich habe sofort D´Addarios in der gleichen Stärke aufgezogen und die Gitarre klang deutlich besser. Beim Saitenwechsel fiel eine der Hülsen heraus, durch die die Saiten in der Korpusrückseite geführt werden. Naja, darüber kann man hinwegsehen, denke ich. Nach einer halben Stunde Einstellerei lief dann alles zu meiner Zufriedenheit, von dem noch nicht bereinigten D-Saitenproblem mal abgesehen.

 

 

Der Korpus ist aus Erle, neben Esche das zweite "klassische" Tele-Korpusholz. Das Pickguard ist leicht angegrünt, sieht sozusagen nach "new old stock" aus. Irgendwo habe ich auch was von "aged" Pickupkappen gelesen, das ist aber nicht der Fall, die Pickups sehen funkelnagelneu aus und der Stegpickup hat natürlich sowieso auch keine Kappe. Ebenso funkelnagelsauber und gar nicht auf alt getrimmt ist die Verchromung am typischen Tele-Blechsteg und auf der Reglerplatte mit den griffigen Tele-Knöpfen. Beim Einstellen der Oktavreinheit und der Saitenlage fiel mir positiv auf, dass die geriffelten Böckchen am Steg über kleine Schlitzschrauben in der Höhe einstellbar sind. Mir gefällt das besser als die ewige Frage, wohin man denn das passende Inbus-Schlüsselchen das letzte Mal verstaut hat.

Der Hals mit dem dicken schönen Rosewood Griffbrett hat eine nicht allzu dicke C Form und liegt gut in der Hand. Ich habe auch schon deutlich dickere Tele-Hälse in der Hand gehabt, die Stärke gefällt mir aber gut. Die Griffbrettwölbung ist "vintage" rund mit allen Vor- und Nachteilen, so wie in den Sechzigern eben. Die 21 Bünde sind genauso "vintage", also eher dünn. Nicht dass die Gitarre schwer bespielbar wäre, aber sie ist eben eher die "Kämpfertele" nach alter Art, also nix modernes Flachgriffbrett mit Flutschi-Jumbobünden. Mit 43 mm ist das Griffbrett ein oder zwei mm breiter als bei den meisten anderen Teles, was mir mit meinen breiten Griffeln sehr entgegenkommt.

Auf der Kopfplatte ist das sogenannte Spaghetti-Logo zu sehen. Ich hätte eigentlich lieber das mitt- oder spätsechziger sogenannte transition Logo gesehen, ich finde das schöner. Passend zum Spaghetti Logo sitzen die beiden Kunststoff Dot-Inlays am zwölften Bund frühsechzigermäßig korrekt direkt unter den Saiten A und H, was natürlich eigentlich völlig unwichtig ist, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die verwendeten Dome Speed Regler Knöpfe oben eher spätsechzigermäßig flach sind. (Solche und noch jede Menge andere Dinge stehen im sehr empfehlenswerten blauen Buch "The Fender Telecaster" von A.R. Duchossoir, Verlag Hal Leonard). Die Mechaniken sind die typischen Kluson Dinger mit dem Loch und dem Schlitz oben drin. Die mag ich sehr!

 

     

 

Über die Pickups der Classic ´60 Telecaster habe ich nicht unbedingt positives gelesen. Viele sind der Meinung, dass es nicht gerade die besten Tele-Tonabnehmer sind. Ich habe mir daher auch nicht allzu hohen Erwartungen gemacht, als ich die Gitarre das erste mal über einen Amp spielte. Enttäuscht wurde ich aber nicht, ich hatte eigentlich einen schlechtere Sound erwartet. Ich finde die Pickups grundsätzlich gar nicht übel, aber zum Klang weiter unten mehr.

Der Stegpickup hat staggered Polepieces. Der Halspickup hat die Chromkappe und ist direkt ins Holz verschraubt.
Pickup-Toggle mit drei Positionen, Volume- und Tonregler, Buchse unten in der Zarge...
Typisch Fender Telecaster eben, was soll man da noch beschreiben.

So, jetzt zum wesentlichen und wichtigen:  zum Klang, und zwar gleich unter dem nächsten Foto:

 

 

Das erste was mir beim Trockentest der Gitarre auffiel war das lange Sustain. Die weiße Tele hat ein längeres Sustain als alle anderen Gitarren, die bei mir ihr Dasein fristen. Das ist schon bemerkenswert lang und klingt sehr gleichmäßig ab. Ich selbst finde das gar nicht mal so positiv, ich bin im Gegensatz zu vielen anderen eigentlich kein Fan von ewigem Sustain, aber es ist wirklich bemerkenswert. Mich hat es verblüfft.

Ich würde die Classic ´60 als eine eher gemäßigte Tele beschreiben, was aber keine Überraschung ist.
Ein Korpus aus Erle in Verbindung mit einen Rosewood-Griffbrett klingt etwas wärmer und nicht ganz so knallig wie ein Korpus aus Esche in Verbindung mit einem reinen Ahornhals. Das sind meine Erfahrungen, das habe ich erwartet und das wollte ich auch.
Aber es ist trotzdem eine reinrassige Tele und sie klingt auch so. Der Stegpickup beisst und twangt was das Zeug hält. Dieses typische knochig-trockene Gehabe in den tiefen Gefilden, das nur eine Tele kann ist einfach genial und auch bei dieser Tele absolut da. In den höheren Gefilden schreit und klingelt es authentisch, wie man es von einer Tele hören will, nur eben einen kleinen Tick wärmer als bei einer Mapleneck.

Dass dies eine eher gemäßigte Tele ist, merkt man eher am Halspickup. Dazu muss ich aber erst mal etwas abschweifen: Man hört und liest öfter mal, der Halspickup einer Tele hätte von Haus aus wenig Charakter und klingt grundsätzlich nicht wirklich brauchbar. Der Meinung war ich nie, im Gegenteil. Der Halspickup klingt, nur ist es bei einer Tele etwas problematischer, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Steg- und Halstonabnehmer herzustellen als bei anderen Gitarren. Wenn man z.B. in erster Linie den Stegpickup spielt und aufgrund seiner beißenden Höhen den Treble Regler am Amp eher runter dreht, dann wird der Halspickup natürlich abgewürgt und er mumpfelt vor sich hin. Der Klangcharakter der beiden Pickups liegt weiter auseinander als bei den meisten anderen Gitarren. Auf eine Tele muss man sich deshalb mehr einstellen als auf die meisten anderen Gitarren, sofern man alle Möglichkeiten nutzen will. Aber es geht und das sollte man auch wollen! Grundsätzlich ist so eine Tele ein ziemlich simples Brett, aber da steckt enorm viel drin und es lohnt sich, das auch heraus zu kitzeln. Der Spruch mit der Tele in jedem Haushalt kommt nicht von ungefähr. Aber eins ist sicher: Teles sind grundsätzlich erst mal Rüpel, jede noch so fiese Strat wird neben einer Tele zum versnobten Anzugträger.

Zurück zum Halspickup meiner weißen Neuanschaffung aus dem Land der Sombreros:
Bei ihm wird die Holzauswahl deutlicher als beim Stegpickup. Der klingt für eine Tele sehr seidig und geschmeidig. Der singt, was durch das schon erwähnte lange Sustain der Gitarre natürlich unterstützt wird. Mit ihm lässt sich auch gut jazzen, kein Problem. Aber es wird nie dumpf oder matschig, es ist eben eine Telecaster. Die Zwischenposition perlt transparent, vereint die weit auseinanderliegenden Eigenschaften beider Pickups zu einem völlig eigenständigen dritten Sound.

In Bezug auf die Pickups werde ich sicher noch etwas herumprobieren, aber dass die Pickups nicht gut sind, kann ich nicht wirklich bestätigen. Sie klingen nicht billig oder flach, sie bringen die authentischen Telesounds rüber und machen Spaß. Schlecht sind sie nicht, stelle ich jetzt einfach mal fest. Bin gespannt, ob ich bessere finde. Sollte sich da was tun, werde ich hier darüber berichten.

Die Gitarre spricht gut an mit schönem Anschlagknack und sie schwingt. Sicher gibt es Teles, die mehr und luftiger schwingen, aber die liegen in anderen Preisregionen. Die Gitarre war ein Kauf ins Blaue bei Thomann mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich sie zurückschicken kann. Ich wollte eine Tele in diesem "Look", aber auschlaggebend für den Kauf bzw. die Bestellung dieser Classic ´60 war auch das Ausprobieren einer Classic`60 in Candy Apple Red, die ich mir sofort gekauft hätte, wenn sie eben Olympic Weiß und nicht rot gewesen wäre. Ich habe gehofft, dass die Classic Serie keine große Qualitätsstreuung hat. Bis auf den Lapsus in Sachen D-Saiten Sattelkerbung habe ich das bekommen, was ich mir erhofft habe. Vielleicht habe ich Glück gehabt, aber diese Erfahrung sagt mir, dass man die Mex Classic Serie wohl empfehlen kann. Man bekommt viel Tele fürs Geld und meine behalte ich.

Nachtrag:
Mittlerweile sind ein paar Monate vergangen und ich mag meine weiße Tele immer mehr! Ein Tausch der Pickups kam mir bisher nicht in den Sinn, ich finde die originalen Tonabnehmer sehr gut. Ich habe mir zur besseren Oktavreinheit leicht schräge Messingböckchen für den Steg gekauft, das war eine gute Investition. Nicht nur wegen der wirklich etwas saubereren Oktavreinheit sondern auch in Sachen Klang. Meiner Meinung nach klingen Messingböckchen tatsächlich schöner als die Stahlteile. Es ist kein extremer Unterschied, aber damit klingt die Tele etwas weniger metallisch und etwas wärmer, so würde ich das beschreiben. Mir gefällt das besser. Außerdem hat ein Profi die Bünde ins Lot gebracht und einen echten Knochensattel eingebaut, das hat natürlich etwas gekostet, aber es hat sich gelohnt.

Nochmal ein neuer Nachtrag 04.2010:
Mittlerweile ist noch etwas mehr Zeit ins Land gegangen und die weiße Mexico Tele hat in Sachen Lieblings- und Hauptarbeitsgerät meiner Gibson ES 135 den Rang abgelaufen. Eine günstige Mexico Tele ist tatsächlich meine Nr.1 geworden, hätte nie gedacht, dass sowas möglich wäre. Natürlich ist sie damit nicht "besser" als die Gibson, nur macht mir das Model Telecaster einfach enorm Spaß momentan. Ich habe außerdem noch etwas gebastelt und ihr einen Joe Barden Steg verpasst, der ist eine gute Investition. In Sachen Pickups habe ich immer noch nicht das Bedürfnis, etwas zu wechseln. Für mich klingt die Tele absolut klasse mit den originalen Single Coils. Hier gibt es noch ein paar weitere Infos:  pimpmytele


Sehen und hören kann man meine Telecaster auch bei Youtube:  klick here

Nochmal ein Nachtrag 08.2010:
Wie das Leben so spielt. Die Nr.1 ist wieder meine Gibson ES 135. Die Telecaster liebe ich und der Ausflug war klasse und inspirierend und ich nehme meine Tele auch in Zukunft oft in die Hand und ich möchte sie nicht missen. Aber mein eigentliches Zuhause ist letztendlich doch meine ES.

 

 

 

 

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                                                                                                                 © alle Bilder und Text, Dieter Stenzel, 14.11.2008